Eine Nachricht aus Lüttich 1913 kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs: In diesem Beitrag stelle ich eine Postkarte aus meiner Sammlung vor, die im Jahr 1913 geschrieben wurde. Sie zeigt den Bahnhof Gare des Guillemins in Lüttich (Belgien) und enthält eine persönliche Nachricht, die einen Einblick in das Leben eines Soldaten oder Feldwebels kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs gibt.
Lüttich 1913 – Das Motiv der Karte
Die Vorderseite der Postkarte zeigt den Bahnhof Gare des Guillemins in Lüttich, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Belgien war.
- Der Bahnhof ist lebendig dargestellt: Zu sehen sind Straßenbahnen, Pferdekutschen und Fußgänger, die das pulsierende Stadtleben vor dem Ersten Weltkrieg einfangen.
- Der Bildausschnitt zeigt den alten Bahnhof, der später durch moderne Bauwerke ersetzt wurde.
Das Motiv spiegelt die Bedeutung Lüttichs als wirtschaftliches und infrastrukturelles Zentrum wider. Lüttich war eine der wichtigsten Städte Belgiens, insbesondere durch seine Industrie (insbesondere Stahl- und Waffenproduktion) und seine strategische Lage nahe der Grenze zu Deutschland und den Niederlanden. Gerade im Jahr 1913 war die Stadt aufgrund ihrer strategischen Lage von großer Bedeutung.
Transkription der Karte: Hilfe durch ChatGPT
Ich habe mich für die Veröffentlichung genau dieser Karte entschieden, weil sie sehr gut erhalten ist und ich die Handschrift auf der Ansichtskarte auch ohne fremde Hilfe weitestgehend entziffern konnte. Dennoch bzw. gerade deshalb habe ich die Postkarte sowohl in ChatGPT als auch im KI-Transkriptions-Texterkennungs-Tool Transkribus hochgeladen.
Transkribus ist noch relativ neu für mich. Aber das Tool hat bei dieser Karte deutlich schlechtere Ergebnisse beim 1. Versuch geliefert als ChatGPT. ChatGPT hat bis auf einzelne Wörter fast den gesamten Text im 1. Versuch korrekt transkribiert. Auf den Wörtern, bei denen das nicht gelang, musste auch ich länger herum denken.
Transkription ChatGPT
Meine Transkription
Liège, le 23/X/13
Meine Lieben,
Habe Eure Karte mit großer Freude erhalten. Doch verwunderte ich mich, dass Ihr noch nicht wisst, dass ich nicht mehr im Fort bin, sondern auf der Citadelle zur Ausbildung der Rekruten. Hier habe ich natürlich ein sehr schönes Leben, denn den ganzen Tag kommen wir 5 alten Hasen schaffen, da die Händel schon alle laufen. Wart Ihr schon lange nicht mehr bei Mutter? Das 14te Regiment …
… hatte allein 7 Tage Hannover, aber es ging auch nicht zum Lachen. Alles ist aber vorbei, und ich denke, dass ich bis in 60 Tagen schon zu Hause bin und damit endlich die Qual ein Ende hat.
Seid also alle recht herzlich geküsst von Eurem Walther
Liège, le 23./X./13.
Meine Lieben!
Habe Eure Karte mit großer Freude erhalten. Doch wunderte ich mich, dass Ihr noch nicht wisst, dass ich nicht mehr im Fort bin, sondern auf der Citadelle zur Ausbildung der Recruten [sic]. Hier habe ich natürlich ein sehr schönes Leben, denn den ganzen Tag können wir 5 alten Mann schlafen, da die Hänsels schon allein laufen.
Wart Ihr schon lange nicht mehr bei Mutter? Das 14te Regiment …
… hatte allein 7 Tage Manöver, aber es war auch nichts zum Lachen. Alles ist aber vorbei, und ich denke, dass ich bis in 60 Tagen schon zu Hause bin und damit endlich die Qual ein Ende hat.
Seit [sic] also alle recht herzlichst geküsst von
Euerem Walthére 3 [sic]
Die Nachricht: Einblicke in das Soldatenleben
Auf der Rückseite der Karte schreibt ein Soldat namens Walther an Monsieur A. Tilkin in Straßburg. Der Text liefert interessante Details über sein Leben und seine Aufgaben im Jahr 1913:
- Ort: Walthére war auf der Zitadelle von Lüttich stationiert, einem wichtigen militärischen Standort der belgischen Stadt. Dort war er mit der Ausbildung von Rekruten beschäftigt.
- Stimmung: Trotz seines „schönen Lebens“ auf der Zitadelle sehnt er sich nach der Heimkehr und zählt die Tage – eine typische Empfindung eines Soldaten.
- Sprache: Die Karte ist auf Deutsch verfasst, was auf die Herkunft des Absenders als Teil des Deutschen Kaiserreichs hindeutet, obwohl er sich in belgischem Gebiet befand.
Zeitliche Einordnung und Kontext
Die Karte stammt aus einer Zeit, die kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs steht. Weniger als ein Jahr später, im August 1914, marschierten deutsche Truppen in Belgien ein, und die Zitadelle von Lüttich wurde zu einem Schauplatz heftiger Kämpfe. Belgien war zum Zeitpunkt des Versands der Ansichtskarte offiziell neutral, aber Deutschland plante bereits seine strategischen Angriffe. Aufgrund der auf Deutsch verfassten Postkarte ist tatsächlich (zumindest mir) nicht ganz klar, auf welcher Seite Walthére stand. War er deutscher Ausbilder oder Beobachter, eventuell auf Einladung des belgischen Militärs? Stand er auf deutscher Seite und war 1914 Teil des Einmarsches?
Der Stempel: Hinweise auf den Postweg
Der Poststempel trägt die Aufschrift „Gent-Tentoonstelling“ und das Datum 24. Oktober 1913. Er verweist auf die Weltausstellung, die in Gent von April bis November 1913 stattfand.
- Offensichtlich lief die Karte von Lüttich über Gent, obwohl das nicht der direkte Weg nach Straßburg war. Gent war jedoch ein wichtiger Postumschlagplatz, insbesondere während der Weltausstellung.
- Die Ziffern „9-10“ im Stempel deuten auf das Bearbeitungsfenster hin, in dem die Post weitergeleitet wurde – vermutlich zwischen 9:00 und 10:00 Uhr morgens.
Besonderheiten der Karte
Diese Karte ist besonders interessant, da sie mehrere historische und persönliche Elemente kombiniert:
- Militärische Perspektive: Sie zeigt das Leben eines Soldaten vor dem Krieg.
- Poststempel: Der Vermerk „Gent-Tentoonstelling“ bietet einen Hinweis auf die Bedeutung der Weltausstellung und die logistischen Abläufe im belgischen Postsystem.
- Verbindung von Straßburg und Lüttich: Die Karte dokumentiert eine Verbindung zwischen zwei Städten, die damals unter deutscher Kontrolle standen und von der deutschen Armee beeinflusst wurden.
Fazit
Der Text auf der Karte und der historische Kontext geben (mir) nicht genügend Anhaltspunkte, um zu verstehen, warum genau Walthére in Lüttich präsent war und ob er 1914 am Einmarsch in Belgien beteiligt war. Der Angabe auf der Karte zufolge gehörte er dem „14 0 de ligne 3/3“ an. Das bezeichnet das 14e Regiment de Ligne, eine bekannte, reguläre Infanterieeinheit (Linientruppen) der belgischen Armee. Die zusätzliche Nummerierung „3/3“ könnte auf die 3. Kompanie des 3. Bataillons dieses Regiments hinweisen.
Diese historische Postkarte bietet einen kurzen, aber intensiven Einblick in das Alltagsleben und die Gedanken eines Soldaten bzw Offiziers in Europa vor dem Ersten Weltkrieg.
Transparenz und Wichtiges
Artikel wie dieser bergen ein gewisses Fehlerpotenzial, insbesondere bei Themen wie der deutschen und europäischen Geschichte, den Weltkriegen oder dem Nationalsozialismus. Diese komplexen Bereiche erfordern tiefgehendes Fachwissen, an dessen Oberfläche ich auch durch sorgfältige Recherche nur kratzen kann.
Ich möchte diese historischen Nachrichten auf Ansichtskarten dennoch veröffentlichen. Ich bemühe mich, historische Zusammenhänge so korrekt und sachlich wie möglich darzustellen, bin aber auf Hinweise und Korrekturen angewiesen, falls mir Fehler unterlaufen sollten oder Formulierungen unpassend scheinen.
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Ich habe hier auf KI-Era mein KI-Postkarten-Projekt gerade erst begonnen. Weitere historische Ansichtskarten und Geschichten findet ihr hier: